Michelle Ross-Krämer: „Im besten Fall soll mein (Friseur-)Nachwuchs mich übertrumpfen!"

Welch eine Liebe für den Friseurberuf ist das denn bitte?! Michelle Ross-Krämer ist nicht nur selbst leidenschaftliche Saloninhaberin. Auch ihre drei Töchter hat sie mit dem Beauty- und Wohlfühl-Virus infiziert! Eine faszinierende Geschichte über Passion für Schönheit und inneres Wachstum.


„Die außergewöhnlichen Wege der Lotte Carlsson und ein Zimmer voller Schätze!“, sollte eigentlich die Überschrift meiner Lovestory über den Friseurberuf lauten. Denn ursprünglich wollte ich immer studieren und Lehrerin für Deutsch und Geschichte werden. Doch dann kam alles unerwartet anders. Unsere Familienfriseurin fragte mich als Jugendliche, ob ich mein Schulpraktikum in ihrem Salon absolvieren möchte (übrigens, wie ich später erfahren habe, sehr clever von meiner Großmutter eingefädelt! Aber dazu gleich mehr).

Hoppla, der Friseurberuf und ich? Das war eine echte Herausforderung für mich. Obwohl ich äußerlich immer arrogant, unerschütterlich und leicht rebellisch wirkte, war ich innerlich menschenscheu und so unsicher, dass ich Augenkontakt vermied und es allen anderen eher recht machen wollte. Ich liebte die Stille und sollte dennoch einen Platz in der lauten und schrillen Friseurwelt finden? Grelles Licht, hektische Unruhe, Menschenmengen und intensive Gerüche waren mir ein Grauen. Trotzdem nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte zu.

Wohlig erinnere ich mich noch heute an die Tage, an denen sich Lotte für den Besuch im Theater, für Einladungen oder einfach nur für den Alltag fein machte.

Der erste Arbeitstag war unglaublich aufregend und der Duft, der sich über den Tag so herrlich im Salon verteilte, war berauschend und so sonderbar bekannt. Denn es roch wie in der Belle Etage meiner Großmutter Lotte, insbesondere wie in ihrem Bekleidungs- und Schminkzimmer.

Wohlig erinnere ich mich noch heute an die Tage, an denen sich Lotte für den Besuch im Theater, für Einladungen oder einfach nur für den Alltag fein machte. Fasziniert durfte und sollte ich zuschauen, wie aus der hart arbeitenden und resoluten Ehefrau eines Handwerksmeisters mittels feiner Pinselstriche, die ihre strahlenden Augen betonten, und kräftiger Bürstenstriche, die ihre Frisur in Form rückten, eine mondäne Dame wurde, die ihrer Zeit weit voraus war. Nur 1,50 Meter war sie groß bzw. klein; doch ihre Persönlichkeit war wirklich überragend. Erst Jahre später, während meines Praktikums, habe ich erkannt, dass meine Großmutter schon immer wusste, wofür mein Herz brennt und sie mich zu meinem Wohl auf außergewöhnlichem Weg dorthin geführt hat…

Es war so wunderbar, solche geschäftigen Frauen um mich herum zu haben, die mir immer ein großes Vorbild waren. Also habe ich mir meine Ziele Step by Step gesetzt.

Ich begann also meine Ausbildung in einem sehr modernen Salon unseres Ortes und wollte danach die Welt kennenlernen. Die lag jedoch zunächst nur eine Straße weiter in einem alteingesessenen Salon. Dort allerdings brachte mir die Senior Chefin die gute alte Schule bei und ich lernte das Handwerk von der Pike auf. Es war so wunderbar, solche geschäftigen Frauen um mich herum zu haben, die mir immer ein großes Vorbild waren. Also habe ich mir meine Ziele Step-by-Step gesetzt.

Nach der Ausbildung habe ich zunächst einige Jahre als Gesellin gearbeitet und währenddessen eine zusätzliche Ausbildung zur Kosmetikerin absolviert. Die Meisterausbildung folgte. 1999 dann eröffnete ich meinen ersten Salon.

Dass ich selbstständig werden würde, war irgendwie niemals eine echte Überlegung. Zu sehr war ich bereits seit Kindertagen davon geprägt, in einer Kaufmanns- und Handwerkerfamilie aufzuwachsen. Schon als Kind bezog mich mein Vater in ganz viele Fragen rund um das Geschäft ein und ebnete damit offenbar automatisch meinen Weg ins Unternehmertum. Gut so. Parallel zum Salongeschäft studierte ich noch BWL im Handwerk – und bekam ganz nebenbei meine drei Töchter.

Was mich wirklich berührt, beruhigt und aufwühlt ist, dass heute inzwischen alle drei Mädels begeistert mit mir in meinem Salon „Monochrom Stylisten“ stehen.

Lindsay Loock

Was mich wirklich gleichermaßen berührt, beruhigt und aufwühlt ist, dass heute inzwischen alle drei Mädels begeistert mit mir in meinem Salon „Monochrom Stylisten“ stehen. Frei nach dem Motto, das schon mein Vater an mich herantrug und das ich danach an meinen Nachwuchs weitergab: „Mach, was du willst, aber mach es richtig!“, entfalten sich alle meine Töchter auf ihre ganz und gar eigene Weise in diesem herrlichen Friseurberuf:

Lindsay Loock

Das Herz meiner ältesten Tochter Lindsay brennt für das Brautstyling. Es fasst mich an zu sehen, mit wie viel Passion und Hingabe sie angehende Bräute in jedem Moment ihrer Vorbereitung auf den großen Tag begleitet und mit ihnen mitfiebert.

Stella, meine mittlere Tochter, kümmert sich bei uns neben ihrem Studium der Germanistik und Geschichte (siehe oben) um die Rezeption und nimmt mir zusätzlich viel Arbeit in der Buchhaltung ab. Das ist absolut großartig.

Maja Krämer

Auch meine jüngste Tochter Maja ist mit am Start. Sie hat wie ich ein großes Faible und viel, viel Talent für Colorationen. Kürzlich gewann sie sogar einen Hairstyling Award. Außerdem setzt sie sich sehr für die Ausbildung unserer Young Stylisten ein, die viel Wert auf eine gesunde Work-Life-Balance und auf viel Input und Wertschätzung legen.

Maja Krämer

Auch wenn ich es eigentlich besser weiß, überlege ich manchmal, ob ich meine Töchter vielleicht doch in diese berufliche Richtung gedrängt habe. Schließlich weiß ich selbst, dass ich bei ihnen deutlich fordernder agiere als bei allen anderen Azubis und Mitarbeitern. Da kann ich bei aller Herzensliebe durchaus zum kleinen „Drill Sergeant“ werden. Dann wieder sehe ich sie täglich mit all ihrer Leidenschaft arbeiten und ahne, dass ich doch vermutlich vieles richtig gemacht habe.

„Frau Ross-Krämer, wissen Sie was? Sie arbeiten immer so ruhig und so effizient, dass ich jedes Mal, wenn ich aus Ihrem Salon gehe, ein Stück über dem Boden schwebe.“

Ich versuche als Ausbilderin (und natürlich auch als Mutter) immer, Menschen in ihrer ganz eigenen Persönlichkeit zu stärken. Meine Überzeugung ist: Eine gute Friseurin steht standfest hinter einer Kund*in. Sie soll fachlich so gut ausgebildet sein, dass sie ihren Gästen Sicherheit gibt.

Und dazu gehört es auch, durchaus mal „Nein“ zu sagen, wenn man aus handwerklicher Sicht von einem Service oder einer Dienstleistung nicht überzeugt ist. Wer sich selbst und seinem Können vertraut, genießt auch Vertrauen und zieht letztlich fast automatisch die Kund*innen an, die zu einem passen.

Ich hatte kürzlich einen dieser echten magic moments: Eine sehr geschätzte Kundin sagte zu mir: „Frau Ross-Krämer, wissen Sie was? Sie arbeiten immer so ruhig und so effizient, dass ich jedes Mal, wenn ich aus Ihrem Salon gehe, ein Stück über dem Boden schwebe.“ Ist das nicht schön? Solche Momente machen glücklich.

Und davon wünsche ich meinen Töchtern, Mitarbeitern und Azubis ganz viele in ihrem Berufsleben! Mein Ziel ist es, all meinen Nachwuchs wirklich groß werden zu lassen. Gepaart mit dem Wissen, dass ich immer hinter ihnen stehe. Im besten Fall sollen sie so groß werden, dass sie mich übertrumpfen. Ich kann mir ehrlich gesagt nichts Schöneres vorstellen!

Als Friseurin erfülle ich heute jeden Tag aufs Neue die Träume meiner Gäste.

Mit all diesen Erfahrungen, die ich sammeln durfte, weiß ich nun, dass es in Großmutter Lottes Zimmer nie um die Vielzahl ihrer heiß geliebten Perücken, ihrer schönen Kostüme oder um ihre sündhaft teuren Mäntel ging. Es ging immer um Wohlbefinden, um Attraktivität und die Möglichkeit, die innere Schönheit nach außen erstrahlen zu lassen.

Als Friseurin erfülle ich heute jeden Tag aufs Neue die Träume meiner Gäste. Diese Erkenntnis, mit der ich heute meine Kundinnen bediene, begann vor Jahrzehnten in dem Zimmer voller Schätze direkt über meinem jetzigen Salon. Und dafür bin ich unendlich dankbar.


Ich werde Friseur der englischen Königin!

Was ist der Herzschlag eines Friseurlebens? Die Leidenschaft für diesen Beruf! In unserer neuen FMFM Serie „Lovestories“ erzählen Friseur*innen IHRE Geschichten in Briefen an ihr junges Friseur-ICH. Spannend, berührend und einzigartig schildern sie ihre Lebenslinien und ihre beruflichen Wege zwischen Bauchgefühl, Kopfentscheidung und jeder Menge Haar.

Bei der Premiere am Start: der wundervolle Ralph-Joachim Hoffmann.

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